Ein wichtiger Baustein der abendländischen Musik ist der Dreiklang, der aus dem Grundton, der Terz in der Mitte und der Quint als 3. Ton besteht. Wie in jedem festlichen Gottesdienst wird uns auch heute am Gründonnerstag die Botschaft des Glaubens als Dreiklang verkündet: Alter Bund, Apostelbrief und Evangelium. Erst in diesem „eucharistischen Dreiklang“ kommt das ganze Geheimnis des Gründonnertags zum Klingen.
Der Grundton des Abendmahls liegt im jüdischen Ursprung. Daran hat uns die erste Lesung erinnert. Das Buch Exodus schildert detailliert, wie man das Paschalamm zerteilen und braten, und dass man es nicht gemütlich, sondern hastig essen soll. Für manche Ohren mag das Zerteilen und Braten, die Rede vom Fleisch und Blut des Lammes, etwas befremdlich geklungen haben, doch was damit gemeint ist und worum es geht, leuchtet uns hoffentlich ein.
Das jährliche Paschafest erinnert an die Befreiung aus Ägypten, an den hastigen Aufbruch aus der Sklaverei in die Freiheit. Das Blut des Lammes am Türpfosten wird zum Schutz- und Hoffnungszeichen gegen den Tod. Das jüdische Pascha, Pessach als ewige Satzung, als jährlicher Festtag ist der Grundton im eucharistischen Dreiklang und wird zum Urbild für Abendmahl des Herrn und für die sonntägliche Eucharistiefeier.
Schauen wir auf die 2. Lesung. Das älteste biblische Zeugnis des Abendmahls verdanken wir Paulus. Er bezeugt im 1. Korintherbrief, der ja vor den Evangelien verfasst wurde, dass die Kirche von Anfang an den letzten Willen Jesu ausgeführt hat: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Hier klingt nun der zweite und entscheidende Dreiklangston an. Denn Jesus feiert im Abendmahl nicht einfach das jüdische Paschafest in Erinnerung an die Befreiung aus Ägypten, sondern er feiert sein eigenes Pascha. Wenn er für die Jünger das Brot bricht und ihnen den Wein reicht, nimmt er seine Hingabe und seinen Tod am Kreuz voraus. Nehmt und esst, nehmt und trinkt – der Empfang der Eucharistie befreit nicht aus dem Sklavenhaus Ägypten, aber aus dem Gefängnis von Sünde. Das Blut des Osterlammes rettet vor dem ewigen Tod.
Und schließlich der 3. Schrifttext. Wo die anderen Evangelien das Letzte Abendmahl überliefern, berichtet der Evangelist Johannes von der Fußwaschung. Damit zeigt er: Kommunion und Caritas, die empfangene Eucharistie und die im Alltag gelebte Liebe gehören zusammen. „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit auch ihr so handelt wie ich an euch gehandelt habe.“
Gemeinschaft mit Christus haben wir nicht nur in der Messe beim Kommunionempfang. Communio, Gemeinschaft mit dem Herrn haben wir auch immer dann, wenn wir helfen und teilen, wenn wir uns den Armen und Notleidenden zuwenden. Praktizierende Katholiken sind wir nicht allein dadurch, dass wir in die Kirche gehen und die Hl. Kommunion empfangen. Erst mit dem 3. Ton der Fußwaschung klingt der eucharistische Dreiklang vollständig und harmonisch. Erst durch Liebe und Hilfsbereitschaft wird unser Christsein und unsere Kommuniongemeinschaft mit Christus wirksam und glaubwürdig.
Nach dem Mahl hat Jesus das schöne Obergewand abgelegt, sich vor seinen Jüngern niedergekniet und ihnen die Füße gewaschen. Dass Christus sein prächtiges „Obergewand“ ablegt erleben wir in jeder Eucharistiefeier: in einem kleinen Stück Brot, in einem Schluck Wein ist der Auferstandene gegenwärtig. Bescheidener, schlichter, unspektakulärer geht es nicht.
Zum praktizierten Glauben gehört, dass wir dem Beispiel Jesu folgen und unser „Obergewand" ablegen - unseren Stolz und unsere Vorurteile, unseren Egoismus und unsere Bequemlichkeit -, und dass wir uns so wie Jesus mit einem schlichten „Leinentuch“ bekleiden und arm werden: arm im Urteilen und Verurteilen, arm in unserer Selbstüberschätzung und im Größenwahn. Fußwaschung statt Kopfwäsche, Empathie statt Rücksichtslosigkeit, Solidarität mit den Armen und Schwachen statt Gleichgültigkeit.
Liebe Schwestern und Brüder! Wenn heute am Altar Brot und Wein in der Kraft des Heiligen Geistes verwandelt werden, dann ist unsere aktive, bewusste und tätige Teilnahme am Gottesdienst ganz besonders gefragt. Denn dann geht es ja auch um uns und um die Wandlung unserer Herzen.
Eucharistie feiern, Eucharistie empfangen und Eucharistie leben – dieser eucharistische Dreiklang ist das Lebensprinzip der Kirche.
Könnte es sein, dass in unserer Kirche manches unrund läuft, weil ein eucharistischer Dreiklangston fehlt oder nicht ganz sauber und rein klingt?
Ich schließe mit einem Gedicht von Andreas Knapp. Es trägt den Titel Gründonerstag:
er füllt wasser
in die krüge
zum waschen der füße
der herr wird zum knecht
das wasser zu wein
das flüchtige brot zur leibspeise
die knechte zu freunden
der wein zu blut
und der tod