Liebe Schwestern und Brüder!
Liebe Jugendliche, die ihr euch auf die Firmung vorbereitet!
Liebe Seminaristen auf dem Weg hin zur Diakonen- und Priesterweihe!
Liebe Weihbischöfe Franz und Stephan!
Liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst!
„Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.“ – Bei diesem Satz des Evangeliums bin ich hängengeblieben. Darum geht es jetzt, dass wir unsere Augen auf Christus richten und auf ihn schauen.
Tun wir das nicht immer?, könnte man fragen. Viele von uns haben doch Tag für Tag „berufsbedingt“ mit Gott, seinem Wort und mit den Sakramenten zu tun. Und auch bei euch Firmkandidatinnen und -kandidaten ist es in diesem Jahr so, dass ihr euch im Rahmen der Firmvorbereitung vermutlich mehr als sonst mit Jesus und der Kirche, mit Glaubensfragen und religiösen Themen beschäftigt.
„Die Augen aller waren auf ihn gerichtet!“ Mir kommt ein Wort von Heinrich Spaemann in den Sinn: „Was wir im Auge haben, das prägt uns, dahinein werden wir verwandelt. Und wir kommen, wohin wir schauen.“ Wir kommen dorthin, wohin wir schauen. Was wir im Auge haben, worauf wir achten, was unser Interesse weckt, das prägt uns.
Ich bitte um Verständnis, dass ich mich jetzt besonders an die Priester wende. Die Chrisammesse ist ja ein Fest des Presbyteriums und der Tag, an dem wir Priester unser Weiheversprechen erneuern.
Liebe Mitbrüder! Worauf schauen wir?
Wir sind heute eingeladen, auf unsere Berufung und auf unseren priesterlichen Dienst zu schauen. Für mich werden es heuer 37 Jahre, dass Kardinal Franz König mich hier im Stephansdom zum Priester geweiht hat. Rückblickend kann ich sagen: Ja, es gab ein Auf und Ab, manches ist anders gelaufen als geplant, auch den Dienst des Diözesanadministrators habe ich mir nicht ausgesucht. Doch ich kann aus tiefstem Herzen sagen: Es ist schön, Priester zu sein. Ich bin mit meinen Stärken und Schwächen und trotz mancher Schwierigkeiten sehr gerne Priester.
Das wünsche ich euch allen, dass der Blick auf eure Berufung und euren Dienst in euch Dankbarkeit und Freude auslöst. Da wir bei der Chrisammesse auch als Presbyterium der ED versammelt sind, eine Bitte: Schauen wir nicht nur auf unsere Berufung, sondern auch aufeinander! Stärken wir einander, lassen wir Mitbrüder nicht allein. Manche Weihejahrgänge kommen regelmäßig zusammen, im Dekanat oder im Freundeskreis Zeit füreinander haben, Gemeinschaft leben und Erfahrungen austauschen, ist wichtig. Manchmal kann es guttun, einfach Dampf abzulassen, den Frust loszuwerden oder über den Stephansplatz zu schimpfen. Wichtig ist es, dass wir einander auch unsere positiven Erfahrungen erzählen, miteinander beten und uns gegenseitig stützen.
Es tut weh, wenn Priester vereinsamen, sonderlich werden oder in ein spirituelles Burnout kommen. Ich danke allen, die sich um ihre Mitbrüder sorgen und Gemeinschaft pflegen, und ich danke besonders auch dem Team der Priesterbegleitung.
„Wir kommen, wohin wir schauen“ heißt für mich ganz konkret: Schauen wir auf unsere Berufung und kommen wir immer wieder zurück zum inneren Feuer, das uns dazu gebracht hat, Priester zu werden. Hüten wir dieses Feuer, denn nur wer innerlich brennt, kann leuchten. Und schauen wir im Presbyterium auch aufeinander, damit wir nicht als Einzelkämpfer enden.
Ein 2. Gedanke zur Frage „Worauf schauen wir?“
Wir schauen heute auf Jesus, der in der Synagoge von Nazareth das Wort Gottes nicht bloß vorgelesen, sondern erfüllt hat. Denn er hat den Armen das Evangelium verkündet, den Blinden das Augenlicht gegeben und die Zerschlagenen freigesetzt. Er konnte zurecht sagen: „Heute hat sich das Wort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“
Das Wort Gottes nicht nur verkünden, sondern es erfüllen? Da regt sich in mir Widerstand: Ist das nicht eine Überforderung? Ich bin doch nicht Christus. - Aber ganz so einfach ist es nicht. Wir dürfen uns als Priester nicht überschätzen, sollen uns aber bewusst sein, dass wir einen großen Auftrag haben.
Darum möchte ich warnen vor Mittelmäßigkeit, vor einem priesterlichen Dienst nach Vorschrift, wie es schlechten Beamten nachgesagt wird. Liebe Brüder, wir Priester sind nicht kirchliche Beamte, sondern Osterzeugen, Freunde und Mitarbeiter des Auferstandenen!
In der Weiterarbeit mit den Ergebnissen vom „Tag der Räte“ hat die Diözesanleitung unseren Auftrag folgendermaßen definiert: „Wir bringen Menschen mit Jesus in Beziehung - und das tun wir mit Exzellenz!“ – Wir bringen Menschen mit Jesus in Beziehung – dazu sind wir da. Und das tun wir mit Exzellenz. „Mit Exzellenz“ - damit ist nicht die Zusammenarbeit mit dem neuen Erzbischof, sondern das Gegenteil von halbherzig und mittelmäßig gemeint. Der Begriff „Exzellenz“ hat nichts mit Leistungsdruck und Perfektionismus zu tun, sondern vor allem mit Freude und Begeisterung. Ich freue mich immer, wenn mir jemand erzählt: „Unser Pfarrer ist ein Priester mit Leib und Seele!“ – Das meint „Exzellenz“: Priester sein mit Leib und Seele.
Worauf wir schauen, das prägt uns. Im Blick auf Jesus und sein Leben erkennen wir unseren Auftrag: Kirche ist dazu da, Menschen mit Jesus in Verbindung zu bringen. Und das tun wir nicht irgendwie, sondern mit Exzellenz. Ich danke allen, die versuchen, mit Leib und Seele Priester zu sein. Und ich ermuntere den einen oder anderen Mitbruder, der sich in einer „Schonhaltung“ befindet, das kommende Osterfest zum Anlass für einen Neustart zu nützen.
Noch ein dritter Gedanke zur Frage: Worauf schauen wir?
Natürlich schauen wir heute vor allem auf das Katechumenenöl, das Krankenöl und den Chrisam. Auf diese drei Öle trifft das Wort des Propheten Jesaja zu: „Der Herr hat mich gesandt, um Freudenöl zu geben statt Trauer, ein Gewand des Ruhms statt eines verzagten Geistes.“
Liebe Brüder! Bevor wir andere mit den heiligen Ölen salben, machen wir uns heute bewusst: Wir wurden bei unserer Taufe, Firmung und Weihe mit Chrisam gesalbt. Gott hat uns gestärkt mit dem Öl der Freude gegen die Trauer und mit dem Öl der Kraft gegen den verzagten Geist. Neue Kraft und Freude für unseren Dienst erbitten wir heute vom Herrn
für jene Priester, die schon lange in großer Treue ihren Dienst tun.
Freude und neue Kraft für die Überforderten und Müden.
Freude jenen, die nach einer Niederlage aufstehen, nach einer Krise tief durchatmen und neu beginnen.
Freude für unsere alten und kranken Mitbrüder, die die Kirche mit ihrem Gebet unterstützen.
Freude und Kraft unseren jungen Mitbrüdern in den ersten Dienstjahren.
Freude auch allen Seminaristen, die sich auf das Priestertum vorbereiten, und allen Menschen, die spüren, dass der Herr sie in seinen Dienst ruft.
Worauf wir schauen, das prägt uns. Heute schauen wir auf das Freudenöl Gottes, und wir danken, dass er uns berufen, gesalbt und in den priesterlichen Dienst genommen hat.
Und aus gegebenem Anlass noch ein Gedanke zum Schluss:
Vor 80 Jahren war der Stephansdom eine Brandruine. Am 11. April 1945 fing das Dach Feuer und der mittelalterliche hölzerne Dachstuhl brannte ab. Als dann am 13. April im vorderen Teil des Doms das Gewölbe eingestürzt war, konnte sich das Feuer auch im Innenraum ausbreiten und verheerende Schäden anrichten.
Auch das gotische Lettnerkreuz ist damals verbrannt. Vermutlich war es genau heute vor 80 Jahren, dass ein Mann hier im Mittelgang in einem rauchenden Schutthaufen wühlte und den Christuskopf des Lettnerkreuzes gefunden hat. Der Kopf des Gekreuzigten hat die Brandkatastrophe überstanden.
Liebe Schwestern und Brüder!
Worauf schauen wir? Oft auf die Schutthaufen und auf alles, was in der Kirche zusammenbricht und nicht mehr funktioniert: der Glaube, der bei vielen Menschen verdunstet, die schrumpfenden Katholikenzahlen und die immer knapper werdenden personellen und finanziellen Ressourcen, wir schauen auf Strukturfragen und Gebäudekonzepte, auf die schrecklichen Skandale und das Versagen in den eigenen Reihen. Es gibt viele Schutthaufen, Probleme und Baustellen in unserer Kirche.
Zwei Hoffnungszeichen möchte ich nennen:
Unter schwierigsten Bedingungen ist es in der Nachkriegszeit gelungen, den Dom wieder aufzubauen. Der absolute Tiefpunkt in der Geschichte des Stephansdoms wurde zum Ausgangspunkt für Aufbau und Neubeginn. Der Dom steht heute da als steingewordener Zeuge der Hoffnung und als Erinnerung daran, dass Krisen und Umbrüche im Leben der Kirche immer wieder zu einer Neuausrichtung und zu spirituellen Aufbrüchen geführt haben.
Und das zweite Hoffnungszeichen ist der Christuskopf des Lettnerkreuzes im rauchenden Schutthaufen. Christus, das Haupt, ist da. Das rekonstruierte Lettnerkeuz hängt seit dem Jahr 2009 in der Vierung. Alles an diesem Kreuz ist neu, nur der Christuskopf ist original.
Die Kirchengestalt verändert sich, manches bricht zusammen, aber auf das Haupt der Kirche, auf Christus, den Auferstandenen, ist Verlass.
„Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.“
Was wir im Auge haben, das prägt uns, dahinein werden wir verwandelt.